Suhl - die Stadtgeschichte
Öwer ons...
Die meisten verbinden Suhl mit Jagdwaffen oder Simson Mopeds. Es stimmt, Suhl hat eine lange geschichtsträchtige Tradition auf diesen Gebieten. Aber, wir sind so viel mehr.
Lesen Sie hier über die reiche
Geschichte unserer Stadt
Frühe Besiedlung und Bergbau
Die alte Bergstadt Suhl kann auf eine bewegte Geschichte verweisen. Menschen lebten bereits um 2000 v. Chr. auf dem Gebiet der heutigen Stadt Suhl, wie archäologische Funde belegen.
Etwa 500 v. Chr. wurden mit der Einwanderung keltischer Volksstämme im Suhler Raum Menschen nachweislich sesshaft. Es wird angenommen, dass ein einzelner Hof in der Gegend der Hauptkirche, am Rimbach gelegen, die erste Ansiedlung war. Die Salzquellen und das vorgefundene Eisenerz dürften der Anlass zur Ansiedlung gewesen sein. Der anfängliche Hof vergrößerte sich zum Dorf und entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahrhunderte allmählich zu einer größeren Ansiedlung.
Die Stadt Suhl, malerisch gelegen im südlichen Teil Thüringens, birgt eine lange und reiche Geschichte, die bis in die früheste Besiedlung dieser Region zurückreicht. Ihre Entwicklung spiegelt nicht nur die Veränderungen der politischen Landschaft wider, sondern auch den Wandel von Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft im Laufe der Jahrhunderte.
Stadtrechte, Mittelalter und Handwerk
Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich Suhl zu einem wichtigen Handelszentrum. Die Lage an einer wichtigen Handelsstraße über den Thüringer Wald trug dazu bei, dass die Stadt florierende Märkte und Handelsbeziehungen unterhalten konnte. Zudem etablierte sich in Suhl eine starke Handwerkskultur, insbesondere im Bereich der Waffen- und Büchsenherstellung sowie im Metallhandwerk.
Die Stadt selbst wurde 1300 erstmals urkundlich erwähnt. Die Stadtwerdung von Suhl war ein längerer Prozess, für den 1445 ein „Zwölfer" genannter Stadtrat und 1472 die Verwendung eines Stadtsiegels nachweisbar sind.
Um 1365 sind zwei Eisenhämmer für Suhl bezeugt, 1437 folgte ein weiterer im “schluttgarten zu sula”. Zu dieser Zeit stand die Fabrikation von Waffen und Rüstungsteilen schon in voller Blüte. Ein Berggericht existierte seit 1470.
1527 bestätigte Fürstgraf Wilhelm IV. von Henneberg-Schleusingen lediglich die schon vorher angewandten Stadt-Statuten.
Suhl die Waffenschmiede
Die Zahl der Bergleute ist mit 800 übermittelt. Im Jahr 1527 erhielt Suhl die Stadtrechte, was einen weiteren Schub für die städtische Entwicklung bedeutete. In dieser Zeit florierten Bergbau, Handwerk und Handel gleichermaßen. 1553 wurde Suhl dann als Bergstadt bezeichnet, was Suhl die Rechte und Pflichten als Sitz einer Bergverwaltung und der Berggerichtsbarkeit zugestand.
Schon vor 1500 wurden in Suhl Feuerwaffen hergestellt. Die Herstellung von Feuerwaffen, insbesondere Musketen, trug aber maßgeblich zur wirtschaftlichen Blüte Suhls bei. Die Stadt wurde ein wichtiger Lieferant von Waffen für Armeen im In- und Ausland.
Schriftliche Überlieferungen der Zunft der Rohr- und Büchsenschmiede gibt es bereits aus dem Jahre 1555. 1631 war Suhl die „Rüstkammer Europas“ und zählte 7000 Einwohner.
Der Dreißigjährige Krieg - Niedergang und Wiederaufstieg
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) brachte eine abrupte Wendung in der Geschichte Suhls. Die Stadt litt unter Verwüstungen, Plünderungen und Bevölkerungsverlusten. Der Verkauf von Waffen an Freund und Feind in Kriegszeiten führte zu erheblichen Zerstörungen der Stadt, so im Dreißigjährigen Krieg im Oktober 1634, durch kaiserliche Truppen unter dem Kroatengeneral Isolani.
Stadtbrände verwüsteten immer wieder weite Teile der Ansiedlung (1509, 1590 und 1753), 1718 fiel das Gebiet an Kursachsen. Bergbau und Waffengewerbe als "Massenproduktion"gingen zunächst zurück. Dafür entwickelte sich neben der Barchentweberei die Suhler Waffenkunst. Edle Stücke Suhler Meister wie Stockmar sind heute im Grünen Gewölbe zu Dresden zu sehen.
So brachte die Waffenfertigung auch Wohlstand zurück in die Stadt. Mit insgesamt 119 Schlossermeistern und Büchsenmachern war Suhl im Jahr 1736 führend in der Waffenherstellung innerhalb von Kursachsen.
1751 gilt als Gründungsjahr der Waffenfabrik Sauer & Sohn, der ersten deutschen und nach der in Lüttich (Belgien) zweiten Waffenfabrik in Europa. Zwischen 1756 und 1760 verkauften Suhler Büchsenmacher 25000 Gewehre an Preußen. Im Jahr 1815 kam die Stadt, wie der kursächsische Teil der ehemaligen Grafschaft Henneberg, zum Königreich Preußen.
Suhl und die Familie von Johann Sebastian Bach
Johann Bernhard Bach (d. Ä.), ein Cousin von Johann Sebastian Bach, weihte im Jahr 1713 die neue Orgel in der Hauptkirche St. Marien ein. Die Bach-Familie hatte enge Verbindungen zur Stadt und einige Mitglieder erhielten ihre musikalische Ausbildung beim Suhler Stadtmusikus und Stadtpfeifer Johannes Christoph Hoffmann sen., darunter Johann Bach (1604–1673), der Großonkel, sowie Christoph Bach (1613–1661), der Großvater von Johann Sebastian Bach, Heinrich Bach (1615–1692) und Johannes Bach (1604–1673).
Von 1661 bis 1668 war Georg Christoph Bach Kantor und Schulmeister in Heinrichs (heute Stadtteil), was damals als gute Adresse für musikalische Ausbildung galt.
Seine Ausbildung erhielt dort auch Johann Friedrich Fasch (1688–1755), dessen Vater in Suhl Kantor und Rektor der Lateinschule war.
Oh Tannenbaum... Fuchs Du hast die Gans gestohlen ... Wenn ich ein Vöglein wär... Es klappert die Mühle am rauschen Bach....
Ernst Gebhard Salomon Anschütz wurde 1780 in Suhl Goldlauter geboren. Der geniale Lyriker und Komponist schuf unzählige Texte und Melodien, die sich bis heute, nicht nur in unserer Tradition, verankert haben.
Wohl alle werden seine eingängigen Lieder und Texte kennen und singen. Aber haben Sie schon einmal das Lied "Oh Tannenbaum" mit der Hymne des US Bundestaates Iowa verglichen? Nein? ......
Industrialisierung und Neuaufbau
Im 19. Jahrhundert erlebte Suhl einen erneuten Aufschwung, diesmal durch die Industrialisierung. Die Herstellung von Waffen, aber auch die Produktion von Fahrzeugen, Nähmaschinen und Fahrrädern, prägten die wirtschaftliche Landschaft.
Friedrich Koenig konstruierte 1803 in Suhl die erste mechanische Druckmaschine.
In den 1840er und 1850er Jahren wurden im Norden Frankens erste Anstrengungen unternommen, um Bahnen zu erschließen. Joseph Meyer und später der Hennebergische Glashüttenverein muteten in Suhl mehrere Eisenerzgruben und betrieben sie teilweise sehr erfolgreich.
Die Etablierung der Industrie im Büchsenmacherhandwerk im 19. Jahrhundert brachte in Suhl nahezu alle namhaften Waffenfabriken hervor. Dazu gehörten, neben der bereits bestehenden J.P.Sauer & Sohn, die neuen Firmen Sempert & Krieghoff, C.G.Haenel, Gebr. Merkel und Simson & Co. Im Jahr 1840, also kurz zuvor, wurde eine Lehranstalt für Militärbüchsenmacher eröffnete.
Im Jahr 1861 begann eine wichtige Produktion von Porzellan. In den "Schlegelmilch-Fabriken", die in Suhl und Mäbendorf gegründet wurden, arbeiteten zeitweise über 1000 Arbeiter.
Suhl eröffnete 1893 die erste und älteste Beschussanstalt in Deutschland. Bereits 1896 wurde in den Simson-Werken die Produktion von Fahrrädern aufgenommen. 1906 begann die Auto-Produktion in Suhl. Rennwagen und Luxuswagen der Simson-Werke, wie der Simson Supra, erhielten schnell einen hervorragenden Ruf.
Bilder: Firmenschild Sauer & Sohn, Ludwig Krieghoff - Firmengründer, Haenel Firmenlogo
Suhl im 20. Jahrhundert
Während des Kapp-Putsches 1920 wurde Suhl von nationalistischen Truppen besetzt. Die Inschrift am Rathaus „Im grünen Wald die rote Stadt, die ein zerschossen' Rathaus hatt“ erinnert an die harten Kämpfe mit den Milizen und deren Vertreibung aus der Stadt.
Reichskanzler Wilhelm Cuno
Carl Josef Wilhelm Cuno wurde am 2. Juli 1876 in Suhl geboren. Er war Geschäftsmann, kurzzeitig in der DVP (Austritt aus Gewissensgründen) und späterhin parteiloser Politiker.
Wilhelm Cuno war von November 1922 bis August 1923 der erste sog. Präsidialkanzler (Amt durch Ernennung, nicht durch Wahl), also deutscher Reichskanzler in der "Weimaerer Republik".
Seine exzellenten Kontakte in die USA sollten helfen, die Reparationszahlungen durch den Versailler Vertrag zu mildern. In seine Amtszeit fällt ebenso die Besetzung des Ruhrgebietes durch belgisch-französische Truppen. Durch einen massiven Anstieg der Inflation und den daraus folgenden "Cuno-Streiks" trat sein Kabinett bereits nach 9 Monaten zurück.
Später wurde Cuno Mitglied des Aufsichtsrates bei HAPAG, er gründete den ersten Rotary Club Deutschlands.
Suhl im Nationalsozialismus
Die Rüstungsindustrie war auch während der Zeit des Nationalsozialismus ein zentraler Wirtschaftsfaktor in Suhl.
Wie überall in Deutschland wurde auch in Suhl die jüdische Bevölkerung systematisch verfolgt und diskriminiert.
Ihre Synagoge wurde zerstört und viele unserer Mitbürger wurden deportiert und ermordet. 27 jüdische Mitbürger wurden im Mai 1942 nach Polen deportiert, im September 1942 kamen weitere 14 nach Theresienstadt, einigen gelang die Flucht in die USA.
1935 folgte die "Arisierung"des jüdischen Besitzes. Davon betroffen waren u. a. das Kaufhaus am Markt und die Simson-Werke, die zunächst in die "Wilhelm-Gustloff-Stiftung" überführt wurden. Die Suhler Synagoge in der früheren Hohenlohestraße (siehe Bild, heute Straße der Opfer des Faschismus) wurde während der Novemberpogrome 1938 vollständig zerstört.
Das Schicksal der Simsons
Die Suhler Familie Simson gehört bis heute zu den traditionellen Namen unserer Stadt. Die exzellenten Unternehmer konnten ihre Firma mit Staatsverträgen durch die Weltwirtschaftskrise führen. Wenige Jahre später wurden sie von den Nationalsozialisten enteignet. Ihr Familienvermögen wurde von Gauleiter Fritz Saukel in die "Wilhelm Gustloff Stiftung" überführt.
Die National eingestellte Familie Simson war äußerst sozial und heimatverbunden. So stand z.B. Jeanette Simson der Simson-Stiftung vor, die ihr Mann zur Unterstützung der Suhler Armenhilfe gegründet hatte.
Eine Rückführung des Familienvermögens nach 1989 scheiterte. Noch heute befinden sich Gräber der Familie Simson auf dem jüdischen Friedhof in Suhl Heinrichs.
1945 Einnahme durch die US Armee
Suhl wurde am 3. April 1945 von Einheiten der 3. US-Armee unter Befehl des Generals George S. Patton (Foto) besetzt.
Erst am 3. Juli 1945 übernahmen Einheiten der Roten Armee aufgrund des 1. Londoner Zonenprotokolls von 1944 und der Beschlüsse der Konferenz von Jalta die Stadt. Suhl wurde damit Teil der Sowjetischen Besatzungszone.
1947 wurden wichtige Werke der Rüstungsindustrie gesprengt (u. a. Krieghoff) oder als Reparation in die Sowjetunion abtransportiert (wie die Simson-Werke). Bereits im Jahr zuvor waren wichtige Experten und Facharbeiter wie der Konstrukteur Hugo Schmeisser (MP18, Sturmgewehr 44) in die Sowjetunion verschleppt worden.
Hugo Schmeisser 1884-1953)
Hugo Schmeisser war einer der bekanntesten Waffenkonstrukteure des 20. Jahrhunderts. Er lebte seit 1894 in der Stadt Suhl.
Mit 31 Jahren gelang es ihm, die erste funktionstüchtige Maschinenpistole der Welt zu konstruieren. Später stieg er in die Waffenfabrik D.G. Haenel Suhl ein und übernahm die Stelle des Technischen Direktors.
Im Zweiten Weltkrieges entwickelte er mit dem Sturmgewehr 44 als erster Konstrukteur der Welt eine automatische Feuerwaffe, die bis heute als das Standardmodell für alle nachfolgenden Entwicklungen, einschließlich der Kalaschnikow, gilt.
Suhl - legendäre "Ost-Marken"
Die Simson Werke erfuhren mit der Aufnahme der Motorradproduktion (AWO 425) im Jahre 1950 eine Wiederbelebung. Die Werke produzierten bis 1952 als SMAD-Betrieb unter sowjetischer Führung, ab 1952 als Fahrzeug- und Gerätewerk Simson Suhl, ab 1968 dann als Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“ Suhl (Fajas).
Andere namhafte Waffenhersteller, wie J.P Sauer & Sohn oder Sempert & Krieghoff, wurden von den Sowjets enteignet und wanderten mit ihren Familien nach Süddeutschland ab.
Neben den hochwertigen und international hoch gefragten Jagdwaffen, stellte das "Fajas" in den Folgejahren seine legendäre "Vogelreihe" her. Hierzu zählten Schwalbe (Foto), Spatz, Star, Sperber und Habicht.
Später wurden die ebenso legendären S50 und S51 (Enduro) gefertigt. Die letzten Fahrzeuge der Star Classic Reihe wurden im Jahr 2002 gefertigt.
Ein weiteres, legendäres Produkt aus Suhl ist das Rührgerät 28 (RG28), des ehem. VEB Elektrogerätewerk Suhl. Während heutige Rührgeräte bereits nach wenigen Jahren den Geist aufgeben, funktioniert ein RG 28 jahrzehntelang, bis heute.
Herbert Roth und sein Rennsteiglied
In den 1950er Jahren erlangte einer der größten Söhne Suhl's seinen musikalischen Durchbruch.
Herbert Roth trat gemeinsam mit Waltraud Schulz und seinem Ensemble im April 1951 erstmalig in Hirschbach bei Suhl auf.
Gemeinsam mit seinem Freund Karl "Kaschi" Müller schuf Herbert Roth ein musikalisches Vermächtnis, welches ihn bis heute an der Spitze der Volksmusikanten hält.
Sein Rennsteiglied gilt bis heute als inoffizielle Nationalhymne Thüringens.
Unsere Stadt hat dem btw. begeisterten Wanderer uns Musiker einen eigenen Wanderweg und ein Museum gewidmet.
Bezirksstadt Suhl
Im Jahr 1952 wurde Suhl (nach Auflösung der Bundesländer) zur Bezirkshauptstadt und wurde blieb es bis zur Wiedervereinigung 1990. Der historische Stadtkern wurde zu großen Teilen abgebrochen und "sozialistisch umgestaltet". Ein neues Stadtzentrum entstand (u.a. Kulturhaus, Stadthalle, Centrum Warenhaus etc.)
1953 wurde das Staatliche Sinfonieorchester Suhl 1972 wurde der Sportflugplatz Suhl-Goldlauter eingeweiht und auf den umliegenden Bergen entstanden neue Wohngebiete. Suhl war zu DDR Zeiten ein beliebter Ort um zuzuziehen - Suhl wurde künstlich "aufgepumpt".
Im Jahr 1984 eröffnete auf dem Friedberg in Suhl eine Offiziershochschule der DDR-Grenztruppen nebst Schießsport-Anlage in der 1986 war die 44. Weltmeisterschaften im Sportschießen stattfand.
Einen Film zur Weltmeisterschaft finden Sie nachfolgend. Hinweis für ältere Suhler: Ab Minute 8:22 ist das alte Suhler Original Willy Schön, oder besser "Schön's Willy", zu sehen.
Suhl nach der Wende
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands musste sich Suhl an veränderte wirtschaftliche Bedingungen anpassen. Oder sagen wir "wurde angepasst"?
Heute ist Suhl eine moderne Stadt, die sowohl ihre historischen Wurzeln als auch den Wandel der Zeit reflektiert. Die Stadt hat sich mittlerweile zu einem wichtigen Zentrum für Tourismus, Kultur und Bildung entwickelt. Ihr historischer Steinweg, das Waffenmuseum und die umliegende Natur ziehen Besucher aus nah und fern an.
Insgesamt ist Suhl ein Ort, der seine reiche Vergangenheit mit Stolz trägt und gleichzeitig die Herausforderungen der Gegenwart annimmt, um eine vielversprechende Zukunft zu gestalten.
Suhl hat es nicht leicht: Aber seine Menschen sind anpackend, manchmal dickköpfig und am Ende doch immer wieder eines: Sühler!
Stadt- und Verwaltungsarchiv Suhl
Platz der Deutschen Einheit 3
98527 Suhl
Öffnungszeiten
Mo 13 - 16 Uhr
Di 9 - 12 und 13 - 16 Uhr
Mi geschlossen
Do 9 - 12 und 13 - 17 Uhr
Fr 9 - 11 Uhr
Weitere Termine nach Vereinbarung
Tel.: 03681 - 74 2448
E-Mail: annett.raute@stadtarchivsuhl.de